HALLO, THERESE NILSHAGEN!

Der schwedischen Dressurreiterin Therese Nilshagen wurde der Erfolg nicht in die Wiege gelegt. Ihre Reitkarriere begann in jungen Jahren in einer Reitschule, bei der sie bis zu ihrem Abitur Reitunterricht nahm. Mit vierzehn nahm sie auf dem Reitschulpony Rainbow an ihrem ersten Dressurturnier teil und der gemeinsam gewonnene erste Platz entfachte ihre Leidenschaft für den Sport.

Heute zählt Therese zu den Top-Dressurreiterinnen Schwedens und ist ein selbstverständliches Mitglied der Nationalmannschaft. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass mit Geduld und Ausdauer jeder in diesem Sport erfolgreich sein kann, egal woher man kommt und welche Voraussetzungen man mitbringt.

Wir haben uns mit Therese unterhalten und sie hat uns von ihrem Weg erzählt: von ihren bescheidenen Anfängen im Reitclub Vällingby, ihrem Umzug nach Deutschland, und wie sie zur Elite des Reitsports aufgestiegen ist.


Über Therese

  • Lebt in: Deutschland, reitet für Schweden
  • Alter: Geboren am 24. Januar 1983
  • Beruf: Professionelle Dressurreiterin & Chefbereiterin am Dressurleistungszentrum Lodbergen
  • Instagram: @therese_nilshagen_

Wie hat alles angefangen? Wann hast du zum ersten Mal mit Pferden zu tun gehabt?
Zum ersten Mal mit Pferden in Kontakt gekommen bin ich im Skansen, dem Freilichtmuseum in Stockholm, wo ich mit meiner Oma und meiner Schwester war und dort Ponyreiten durfte. Danach hat meine ältere Schwester, die drei Jahre älter als ich ist, unseren Eltern in den Ohren gelegen, dass sie unbedingt mit dem Reiten anfangen möchte. Und als kleine Schwester wollte ich natürlich alles tun, was meine große Schwester tat. Also fing ich mit 8-9 Jahren auch an, auf einem Reiterhof zu reiten – und bin da dann auch sehr lange geblieben.

Am Anfang bin ich nur einmal in der Woche geritten, aber trotzdem habe ich ständig im Stall herumgehangen. Mein ganzes soziales Leben hat sich im Stall abgespielt. Natürlich waren die Reitstunden das Beste, aber ich habe auch sonst praktisch jede Minute meiner Freizeit dort verbracht, auch wenn ich nicht geritten bin. Der absolute Höhepunkt war, als ich 15 wurde und im Stall arbeiten durfte. So konnte ich meine Reitstunden selbst zahlen und statt einmal, gleich zweimal pro Woche reiten. Der Stall hatte auch eine kleine Ponyzucht und da ich noch ziemlich klein war, durfte ich auch bei dem Beritt der Shetlandponys mithelfen.

„Schon seit ich klein war, habe ich immer wieder Wege gefunden, mehr Zeit im Sattel verbringen zu können.“

Wie lange hast du Reitunterricht in deiner ersten Reitschule genommen?
Ich war da wirklich lange, bis ich mein Abi gemacht habe. Da war ich dann auch irgendwann zu alt, um auf Ponys zu reiten, und es schien nur natürlich, dass ich weitergezogen bin, als ich die Chance bekam, mit Ann Sophie Mannerfelt und Louise Nathhorst zu arbeiten. Aber die Reitschule war wirklich der beste Ort für mich in all diesen Jahren. Da meine Eltern nicht vorhatten, mir ein eigenes Pferd zu kaufen, war die Reitschule der Ort, an dem ich als Reiterin quasi alles gelernt habe und aufgewachsen bin. Manche Eltern denken vielleicht, dass Reiten teuer ist, aber ich denke, dass es wirklich gut investierte Zeit ist. So kann man als Kind seine Zeit im Stall sinnvoll verbringen, anstatt auf der Straße Quatsch zu machen.

Du bist heute eine der besten Dressurreiterinnen Schwedens. Bist du schon immer Dressur geritten?
Ja, ich bin eigentlich schon immer Dressur geritten. Meine Reitschule, der Reitclub Vällingby, war sehr dressurorientiert, und so gab es von Anfang an viel Dressur, obwohl wir auch ein paar Mal im Jahr gesprungen sind.

Wenn du zurückblickst: Was war das Beste daran, in einer Reitschule zu reiten?
Einer der größten Vorteile ist, dass man die Möglichkeit hat, verschiedene Pferde und Ponys zu reiten.  Als ich anfing, in einer Dressurgruppe zu reiten, war das ein bisschen anders, weil man sich dann mehr auf ein bestimmtes Pony konzentriert hat. Aber solange es geht, sollte man die Gelegenheit nutzen, so viele verschiedene Pferde wie möglich zu reiten, weil das echt wertvoll ist!

Wann hast du mit Turnieren angefangen?
Mein erstes Dressurturnier ritt ich mit 14 Jahren. Das war eine Art Dressurreiterwettbewerb, den ich mit einem kleinen Reitschulpony namens Rainbow geritten bin. Und wir landeten sogar auf dem zweiten Platz. Nun ja, es gab zwar nur vier andere Teilnehmer, und einer von ihnen schied aus – aber für mich fühlte es sich trotzdem an, als hätte ich Olympia gewonnen, haha. Da wurde ich dann Feuer und Flamme für den Turniersport und ich dachte mir: „Das will ich nochmal machen!“

Nach deinem Abschluss hast du zunächst in einer Reitschule in Schweden gearbeitet, bevor du nach Deutschland gezogen bist – wie bist du eigentlich nach Deutschland gekommen?
Ich hatte schon früh große Träume. Vielleicht nicht direkt Olympia, aber ich wollte mich weiterentwickeln und eine bessere Reiterin werden. Ich hatte gehört, dass es ganz gut sein kann, dazu ins Ausland zu gehen und dass Deutschland ein ganz gutes Land für den Reitsport sein sollte. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das machen sollte, da ich niemanden kannte, der mir den Weg weisen konnte.

Als ich in der Reitschule Hogsta gearbeitet habe, habe ich ein Mädchen kennengelernt, dessen Freundin in Deutschland gewesen war. Diese Freundin wusste, dass ihr ehemaliger Chef jemanden einstellen wollte und fragte mich, ob das vielleicht etwas für mich wäre. Also habe ich ihn mit zittriger Stimme angerufen und wir haben beschlossen, dass ich für ein paar Tage hinfahre, um es auszuprobieren. Und dann ging alles ganz schnell! Ich habe den Job bekommen und keine zwei Monate später bin ich nach Deutschland gezogen.

Da war ich gerade 20 geworden und hatte geplant, ein Jahr lang in Deutschland zu arbeiten und dann nach Schweden zurückzukehren, um zu studieren. Aber jetzt sind schon 20 Jahre vergangen, haha, das ist wirklich verrückt!

Therese and Dante Weltino

Mit anderen Worten: Du hast jetzt genau so lange in Deutschland gelebt wie in Schweden. Fühlst du dich deutsch?
Hmm, ne, ich fühle mich immer noch als Schwedin und bin sehr patriotisch, besonders wenn es um Sport geht. Es macht mir auch Spaß, nach Hause zu kommen, meine Familie zu besuchen und ich liebe schwedisches Essen und Süßigkeiten. Ich liebe Schweden, aber ich fühle mich in Deutschland auch sehr wohl und mag mein Leben mit den Pferden hier. Im Moment schätze ich die vielen Vorteile, die mir Deutschland bietet. Wenn ich umziehen würde, wüsste ich, dass ich viele Dinge hier vermissen würde.

Was ist dir als größter Unterschied zwischen Schweden und Deutschland aufgefallen, als du nach Deutschland gezogen bist?
Der größte Unterschied, den ich bemerkt habe, als ich nach Deutschland gezogen bin, war die Art und Weise, wie die Menschen miteinander kommunizieren. Im Gegensatz zu Schweden sind die Leute hier direkter und sagen die Dinge einfach so, wie sie sind, ohne sie zu beschönigen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass in Schweden mehr Wert darauf gelegt wird, dass niemand ausgeschlossen wird, alle sollen einbezogen werden. Hier in Deutschland hingegen habe ich den Eindruck, dass die Leistung, die man bringt, zählt und dass man sich seinen Platz irgendwo erst verdienen muss. Das ist nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders. Aber ich musste mich definitiv erst an diese Unterschiede gewöhnen!

Wann hast du begonnen, professionell zu reiten?
Das war erst einige Jahre nach meinem Umzug nach Deutschland. Am Anfang arbeitete ich als Pferdepflegerin für einen Spitzenreiter, der einige Pferde auf Grand-Prix-Niveau hatte. Als ich dann besser wurde, bekam ich mehr Möglichkeiten, zu reiten. Schließlich folgte ich ihm zum Gestüt Grönwohldhof, einer großen Anlage, und bekam eine Stelle als Bereiterin. Ich fing also als Pferdepflegerin an und arbeitete mich nach oben.

Irgendwann hatte ich dann das Glück, bei Lodbergen zu landen, wo ich seit elf Jahren meinen Traum leben und ein fantastisches Unternehmen mitführen kann. Hier habe ich ein großartiges Team und Unterstützer, die mir immer den Rücken stärken. Sie kaufen nicht nur hervorragende Jungpferde, die ich trainieren kann, sondern ermöglichen mir auch, sie zu behalten, wenn sie Potenzial haben. Das ist mir sehr wichtig!

Man könnte sagen, dass ein großer Teil deines Erfolges deinem Pferd Dante Weltino zu verdanken ist – wann habt ihr euch zum ersten Mal getroffen?
Als ich ursprünglich nach Lodbergen kam, war Dante bereits da und gerade mal fünf Jahre alt. Er war eines der Pferde, die ich für die Stelle getestet habe, und ich erkannte sofort, dass er eine richtige Maschine war. Entspannt Schrittreiten ging am Anfang kaum, er war immer heiß auf schneller und mehr. Ich wusste, dass die Arbeit mit ihm eine Herausforderung sein würde, aber ich wusste auch, dass er etwas Besonderes war und enormes Potenzial hatte.

Was macht ihn deiner Meinung nach so besonders?
Sein Charakter zeichnet ihn wirklich aus. Es war ein Traum, ihn auszubilden, da er immer so positiv ist. Doch natürlich war er als fünfjähriger Zuchthengst nicht immer leicht zu händeln. Er hatte schon immer viel Energie und Arbeitswillen, aber er ist auch wirklich liebenswert – das hat mir das Leben wirklich erleichtert! Ohne seine wunderbare Persönlichkeit hätte ich wahrscheinlich oft den Boden geküsst, haha.

„Dante ist mein Herzenspferd, ohne Zweifel. Ich glaube nicht, dass irgendjemand oder irgendetwas ihn jemals übertreffen kann.“

Hast du eine besondere Erinnerung mit ihm, die du gerne teilen möchtest?
Oh, das ist eine schwierige Frage, da ich mit Dante so viele besondere Momente erlebt habe. Er hat so viele meiner Träume in Erfüllung gehen lassen. Aber ich denke, die Europameisterschaften 2017 in Göteborg waren schon ein unglaubliches Erlebnis für uns. Wir haben als Team die Bronzemedaille gewonnen und ich und Dante haben im Einzel den vierten Platz belegt. Das war ein großer Meilenstein für uns und es war besonders emotional, da es ein Heimspiel für uns war. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie die Zuschauer schon bevor wir die Arena betreten haben aufgestanden sind und uns zugejubelt haben. Das war wirklich ein unvergesslicher Moment.

Blicken wir mal in die Zukunft: Was sind deine langfristigen Ziele im Reitsport?
Ich habe jetzt schon viel über Dante gesprochen – aber er ist auch einfach mein Herzenspferd und Champion, also ist mein Hauptziel, mit ihm an weiteren Meisterschaften teilzunehmen. Aber ich habe ja auch noch andere Pferde, und mein Traum ist es, so viele Pferde wie möglich bis zum höchsten Niveau zu weiterzuentwickeln und auszubilden. Meisterschaften sind auch immer große Ziele für mich, daher strebe ich die Europameisterschaft im Jahr 2023 an. Dann würde ich natürlich gerne bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 antreten, und wenn wir wirklich langfristig denken, habe ich auch die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028 auf dem Radar.

Was inspiriert dich?
Wir erleben ja alle mal Höhen und Tiefen im Leben. Es gibt Zeiten, in denen es schwierig ist, motiviert zu bleiben, insbesondere wenn die Dinge nicht nach Plan verlaufen, z. B. wenn das Training nicht so gelaufen ist, wie wir es uns erhofft haben. Aber dann denke ich an all die inspirierenden Menschen da draußen, die trotz aller Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen, niemals aufgeben. Es ist bewundernswert zu sehen, wie Menschen, die es schwer haben, durchhalten und das Beste aus ihrer Situation machen. Jeder hat unterschiedliche Lebensumstände, aber für mich sind diejenigen, die sich trotz der Schwierigkeiten durchbeißen, wirklich inspirierend.

Welchen Rat würdest du jemandem geben, der besser werden möchte, aber kein eigenes Pferd hat? Was kann man tun, um sich ohne eigenes Pferd weiterzuentwickeln?
Ich würde dir empfehlen, so viele verschiedene Pferde wie möglich zu reiten. So bekommt man ein besseres Verständnis dafür, wie sich verschiedene Pferde verhalten und auf unterschiedliche Hilfen reagieren. Vielleicht findest du eine Reitbeteiligung? Oder kannst im Stall mithelfen?

Und denk dran: Nur weil du kein eigenes Pferd hast, heißt das nicht, dass du dich nicht weiterentwickeln kannst. Ich bin der lebende Beweis dafür.

„Man darf nicht denken, dass man keine Chancen im Reitsport hat, nur weil man nicht die besten Voraussetzungen hat. Ich glaube sogar, dass es ganz gut sein kann, wenn man sich besonders anstrengen muss und nicht alles als selbstverständlich ansieht. Meine eigene Reitkarriere hat erst mit 20 richtig begonnen. Erfolg ist ein Marathon – kein Sprint. Und es ist nie zu spät, die eigenen Träume zu verwirklichen.“

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